Algorithmische Regime 2015

OlgaGoryunova

Konferenz zur Bedeutung von Algorithmen in Kultur und Gesellschaft am 25 September 2015.

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Auf Einladung des World-Information Institutes diskutierten internationale WissenschaftlerInnen, ExpertInnen und KünstlerInnen, im Rahmen der Konferenz ALGORITHMISCHE REGIME UND GENERATIVE STRATEGIEN.

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Der Einsatz von digitalen Automatisierungsprozessen kann positiv gesehen werden, so eine der zentralen Einsichten der Konferenz, solange der transparente Zugang zu dahinterliegenden Regelsystemen sichergestellt werden kann. Die Frage einer regulatorische Politik maschineller Abläufe ist, wie und zu welchen Zwecken Algorithmen eingesetzt werden. Peter Purgathofer vom Institut für Gestalt- und Wirkungsforschung der TU Wien: “Um Technologie für Menschen zu entwickeln, muss man ihre Bedürfnisse, Wünsche und Ziele verstehen. Ingenieure interessiert das meist nicht.” Er verweist auf eine Zukunft technischer Komplexität wo „wir sehr bald zu einem Punkt kommen, wo wir nicht mehr verstehen werden was Software macht.”

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Reinhard Kreissl, Direktor des Wiener Zentrums für sozialwissenschaftliche Sicherheitsforschung sieht die Auswertung großer Datenmengen zur vorausschauenden Polizeiarbeit skeptisch und betont dass die Hersteller solcher Systeme ihre Versprechen nicht einlösen können: “Nebenwirkungen überwiegen meist die beabsichtigten Effekte”. Der Erkenntnisgewinn sei eher gering, aber es bestehe die Gefahr der “Verstärkung bestehender Stereotypen”.

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Btihaj Ajana vom Kings College London die sich mit Bioinformatik und der Biopolitik der Identität, mit neuen Formen digitaler Personalisierung und Selbstquantifizierung im Gesundheitswesen befasst, plädiert für eine “Neukonzeption der Zukunft jenseits von technokratischen Prognosen”.

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Thomas Sturm erforscht die Wissenschaftsgeschichte in Hinblick auf Rationalität, Vernunft und formale Regeln und reflektiert das wissenschaftliche Milieu im Kalten Krieg: “Damals war eine beispiellose Anstrengung festzustellen, was die Leute dachten, was es bedeutet, zu handeln, zu denken und rational zu entscheiden. Das hat viel mit der Ausbreitung von Algorithmen in Wissenschaft und Gesellschaft zu tun.”

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Olga Goriunova von der University of Warwick erklärt: “Das digitale Artefakt ist weder ein Objekt noch seine Darstellung. Es ist der Abstand zwischen den beiden.” Dieser Abstand sollte positiv gesehen werden, also eine Ressource, die man nutzen kann. Francesca Musiani, wissenschaftlicher Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Sorbonne Paris fasst den Lösungsansatz so zusammen: “Regulierung von Algorithmen statt Regierung durch Algorithmen.”

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Paolo Ruffino, Dozent der Goldsmiths University London und Mitglied der Künstlergruppe IOCOSE fokussiert seine Forschung auf Computerspiel-Studien. Er beschreibt Algorithmen als eine Form der Mimikry, der Assimilation, eine Formel die zum Verschwinden des Menschlichen führt. “Sie übernehmen jetzt schon die Schöpfung, das Testen und Spielen von digitalen Umgebungen”. Das führt zum Paradox des Spieles, das keine Spieler mehr braucht. Gerald Raunig, Gründungsmitglied des Europäischen Instituts für progressive Kulturpolitik (eipcp) warnte vor einer maschinellen Kolonialisierung der Zukunft und einer Durchsetzung algorithmischer Abläufe auch gegen den Widerstand der Menschen: “Durch die Kombination von Berechnung und Vorhersage wird zuerst die Zukunft durch Zählen des Zählbaren festgelegt, alle Unterschiede assimiliert und normiert, während gleichzeitig unsere Gegenwart an diese vorherbestimmte Zukunft angepasst wird.

Die rege Teilnahme des Publikums auch über Videostream und Social Media hat zum wechselseitigen Austausch beigetragen. “Die neue Konstellation sich verändernder Methoden zur Messung der Welt, beschreibt nicht nur die Wirklichkeit sondern trägt immer mehr dazu bei sie produktiv zu erschaffen”, erklärten die Gastgeber Felix Stalder und Konrad Becker vom World-Information Institute zum Abschluss der Konferenz. “Es ist deutlich, dass wir ohne Algorithmen und vorausschauende Ordnungssysteme weder leben können noch wollen. Aber die Öffentlichkeit, die Mehrheit der Menschen hat keinen klaren Blick darauf, welche Art von Welt dabei erschaffen wird. Ohne breite öffentliche Diskussion besteht die akute Gefahr, dass algorithmische Regime die Herrschaft der Wenigen über Viele begünstigen.”

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