Konrad Becker zu „Welche Probleme könnten die Piraten überhaupt lösen?“ in The Gap nr 126
In Österreich wurde als erste Reaktion auf den Erfolg der Piraten nur von einer Juxpartei gesprochen. Doch die von Politik- und Marktversagen geprägten Probleme, die den Wunsch nach Alternativen begründen, sind durchaus real. Die verengte Perspektive und mangelnde soziale Kompetenz der Piraten ist oft schockierend, das Verständnis kultureller Praxis erschreckend gering. Aber traditionelle Parteien haben die Herausforderungen digitaler Informationsgesellschaften entweder sträflich vernachlässigt oder per Law-and-Order-Wahn amtsbehandelt. Das politische Establishment zeigt sich den neuen Herausforderungen nicht gewachsen. Private Lobbys erkaufen sich Einfluss und arbeiten gegen Interessen der Öffentlichkeit.
Niemand braucht digitale Lynchmobs, aber neue Strategien demokratischer Öffentlichkeit sind unverzichtbar. Denn neue Formen der Wissensorganisation schaffen gefährliche Ungleichgewichte in Umgebungen, die nicht nur mediatisiert, sondern zunehmend automatisiert sind. Der Trend steuert zu den Untiefen des Informationsfeudalismus, steigender Marktkonzentration und zentralisierter Macht durch dezentrale Kontrolle. Kontrollgesellschaften stehen aber in Widerspruch zum offenen Austausch von Kultur und Bildung als kollektive Ressource. In einer solch kritischen Situation ist Problembewusstsein Teil der Lösung. Schon weil Protest hierzulande meist nach rechts abdriftet bleibt nur Mast- und Schotbruch zu wünschen – und eine Handbreit Wasser unter dem Kiel…