Besser Digital?

Tim Renner, Dieter Kovacic und Peter Rantasa moderiert von Elisabeth Mayerhofer (IG Kultur ) am 7. März:

Ist Digital Besser? Rhiz

Kontrollverlust der Musikindustrie

Tim Renner konstatiert zu Beginn der Präsentation einen Kontrollverlust der Musikindustrie in digitalen Netzwerken. Am Anfang steht ein klar definiertes Machtverhältnis, dass durch neue Freiheitsgrade aufgebrochen wird. Es geht nun für die Musikindustrie darum, neue Angebote zu machen, denn der Weg über Sanktionen ist wenig zielführend.

Mp3 und Internet waren für die Musikindustrie eine so explosive Verbindung wie Gutenberg und Luther für die Kirche. Mp3 bot geeignete Kompression an und mit iPod lag sehr früh ein attraktives Endgerät für ein junges experimentierfreudiges Publikum vor. Das mit dieser Entwicklung verbundene Problem wird jede Industrie haben, die mit Daten handelt, und mit 3D Druckern bald auch darüber hinaus.

Tim Renner weist darauf hin dass die Musikindustrie in den 1980er Jahren auch deswegen extrem viel verdient hat, weil sie dank des Medienwechsels auf CD die Preise verdoppeln konnte. Sie hatte umfassende Kontrolle über das Timing und das Marketing und darüber hinaus wurde das Publikum dazu gezwungen im Bündel zu kaufen (Album). Das Beharren auf diese Bündelung zwingt Leute, die nur einzelne Titel wollen, in die Illegalität. Die Kontrolle über das Timing ist inzwischen kontraproduktiv und wer nur auf Sanktionen setzt läuft Gefahr, den Kontakt zu seinem Publikum zu verlieren. Die Musikindustrie ist nicht in der Krise wegen der Piraten, sondern wegen der eigene Reformunfähigkeit. Die Musikindustrie ist gescheitert weil sie ihr Modell bewahren wollte.

Ein ähnliches Problem ist in der Filmindustrie zu beobachten. Der Unwillen mit dem Kontrollverlust des Timings umzugehen bewirkte das Aufkommen von nicht autorisierten Anbietern (z.B. Kino.to) für ein Publikum das durchaus bereit wäre für den Zugang zu bezahlen.

Als historisches Beispiel für einen erfolgreichen Kontrollverlust führt Renner die Einführung des Senderechts, mit Verpflichtung der Vergütung beim Aufkommen von Radiostationen an. Die Labels hatten die Verpflichtung, diese Möglichkeit durch Verwertungsgesellschaften zu schaffen. Eine Übertragung auf Internet würde „Senderecht“ für alle ISP bedeuten.

Wie sich gezeigt hat können neue Modelle gut funktionieren. Kritisch wurde angemerkt dass auch bei neuen Diensten die Interessen der Musikschaffenden selbst nicht ausreichend berücksichtigt werden. Die Musikindustrie hat die Rechte der Musiker als Druckmittel eingesetzt, um Anteile an Spotify zu erzwingen (18%). Es sei keine riskante Prophezeiung dass die resultierenden Einnahmen die Musiker nie erreichen werden.

Ist Digital Besser? im Rhiz

Neue Möglichkeit des Miteinander

Tim Renner fordert eine Wandel zugunsten der Künstler wo beispielsweise das Label Dienstleistungen für Musiker erbringt, diese aber keine Rechte mehr abtreten. Sie zahlen für Services, entweder in Cash, oder mit zukünftigen Einnahmen, aber behalten die Rechte. Zusammenfassend stellt er fest: “ Es ist eine Schlechte Idee zu lange an Kontrolle festzuhalten und den Verlust an Kontrolle nicht als neue Möglichkeit des Miteinander zu begreifen.“

Panel im Rhiz

Zeitgenössische Kulturelle Praxis

Dieter Kovacic erklärt in seinem Response, dass es in seiner Praxis als professioneller Musiker keinen Unterschied machen würde wenn es ab sofort überhaupt kein Urheberrecht mehr geben würde. In seinen Produktionen und Auftritten arbeitet er sowohl mit eigenem Material als auch einer Vielzahl anderer Quellen. Er selbst bezeichnet sich als Urheberrechtsverweigerer und würde in diesem Zusammenhang vor allem eine Namensnennungspflicht befürworten.

Statt vermeintliche Verluste durch angebliche Urheberechtsverluste zu bejammern wäre schon viel gewonnen, wenn Firmen wie Google wenigsten ihre Steuern zahlen würden. Mit diesen Summen könnte dann Problemlos und im großen Umfang eine zeitgenössische Kulturelle Praxis gefördert werden. Es wäre dabei vor allem wichtig in Infrastruktur zu investieren (z.B. Festival, Ausbildung, Plattformen), und nicht in Stückzahlen von künstlerischen Werken.

Panel im Rhiz

Rahmenbedingungen im Interesse der Öffentlichkeit

Peter Rantasa verweist auf die Grundsatzfrage: Worum geht es eigentlich? Künstler soll von ihrer Arbeit leben können und dadurch befähigt sein, neue Werke zu schaffen. Es geht weniger um ein Geschäftsmodell, sondern um ein gesellschaftliches Interesse an lebendiger Kultur. Das gesamte derzeitige Verwertungsregime (inklusive der Verwertungsgesellschaften)nützt aber nur einer sehr kleinen Zahl von spezifischen Künstlern. Die Mehrzahl profitiert wenig oder gar nicht. Aber alle, auch die Öffentlichkeit, sind von dem Problem betroffen.

Als ein Beispiel erwähnt Peter Rantasa dass der Schwerpunkt der Musikindustrie heute auf dem Back-Katalog liegt. Viele kulturell bedeutsame Werke gehen aber verloren, weil nur weniges marktfähig bzw. profitträchtig genug ist. Neue Lizenzmodelle und das Mieten von Inhalten (wie Spotify) können u.a. durch Marktkonzentrationen zum Problem, werden. Notwendig wäre daher Regulierung um den Markt offen zu halten, z.B. Zwangslizenzen wie beim Radio, mit Vergütungspflicht. Abschließend betont Rantasa die Notwendigkeit der politischen Regulierung von Rahmenbedingungen im Interesse der Öffentlichkeit und der Kunstschaffenden mit Verweis auf die UNECO Charter.

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